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ERBRECHT

 

Erbschaftsteuerrecht in seiner derzeitigen Ausge-staltung verfassungswidrig !
BVerfG - Pressemitteilung vom 31.01.07 – Erbrecht


Die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaft-steuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Denn sie knüpft an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der Neuregelung ist das bisherige Recht weiter anwendbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 07.11.2006 (Tag der Beschlussfassung des Senats, nicht der Abfassung der schriftlichen Gründe). 

Rechtlicher Hintergrund: 

In § 19 Abs. 1 ErbStG ist unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuerpflichtigen Erwerbe einheitlich ein nach dem Wert des Erwerbs progressiver, in drei nach Verwandtschaftsgraden abgestuften Steuerklassen unterteilter Prozentsatz des Erwerbs als der Steuertarif bestimmt. Um mittels dieses Tarifs zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen, müssen die dem steuerpflichtigen Erwerb unterfallenden Vermögensgegenstände in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Bei nicht als Geldsumme vorliegenden Steuerobjekten ist deshalb die Umrechnung in einen Geldwert mittels einer Bewertungsmethode erforderlich, um eine Bemessungsgrundlage für die Steuerschuld zu erhalten. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz bestimmt, dass sich die Bewertung nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) richtet. Die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände werden danach nicht einheitlich, sondern auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt. Das Gesetz nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Bei der Bewertung inländischen Grundbesitzes kommt in wichtigen Teilbereichen ein Ertragswertverfahren zur Ermittlung des Grundbesitzwerts zur Anwendung. Der Wert des Betriebsteils von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen bemisst sich nach seinem Ertragswert. Darüber hinaus bedient sich das Erbschaftsteuerrecht bei der Bewertung von Betriebsvermögen des Steuerbilanzwerts.

Die Vorlage durch den Bundesfinanzhof betrifft die Frage, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG auf alle Erwerbsvorgänge wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den unterschiedlichen Vermögensarten verfassungswidrig ist. 

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: 

I. Dem geltenden Erbschaftsteuerrecht liegt die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers zugrunde, den beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall oder der Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern. Diese Belastungsentscheidung hat mit Blick auf den Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung. In der Wahl der Wertermittlungsmethode ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewertungsmethoden müssen aber gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Stellt der Gesetzgeber schon bei der Bewertung auf andere Bewertungsmaßstäbe ab, so löst er sich von seiner Belastungsgrundentscheidung und legt damit strukturell Brüche und Wertungswidersprüche des gesamten Regelungssystems an. 

Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten. Die Bewertungsebene dagegen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele im Erbschaftsteuerrecht. 

II. Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht genügt diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Die erbschaftsteuerlichen Bewertungsvorschriften führen bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen nicht zu dem gemeinen Wert angenäherten Steuerwerten. Sie sind nicht ausreichend belastungsgleich und folgerichtig ausgestaltet. 

1. Beim Betriebsvermögen verhindert die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte strukturell die Annäherung an den gemeinen Wert. Dies führt zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sind: 

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 109 Abs. 1 BewG) werden die zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter mit ihrem Steuerbilanzwert angesetzt. Dieser stimmt aber nur in Ausnahmefällen mit dem jeweiligen Verkehrswert des Wirtschaftsguts (Teilwert) überein. So können durch bilanzpolitische Maßnahmen wie zum Beispiel die Wahl von degressiver oder linearer Abschreibung, Sofortabschreibungen oder erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie auch durch spätere Wertsteigerungen so genannte stille Reserven – also vereinfacht ausgedrückt Differenzen zwischen dem Verkehrswert eines Wirtschaftsguts und seinem niedrigeren Buchwert – gebildet werden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt werden. Zudem fließen immaterielle Wirtschaftsgüter wie etwa der Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens in die erbschaftsteuerliche Bewertung nicht ein. Das hat regelmäßig zur Folge, dass der Steuerwert gerade von ertragstarken Unternehmen weit hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, weil der den Wert bestimmende Faktor des Ertrags keine Berücksichtigung findet. Die Übernahme der Steuerbilanzwerte bewirkt mithin für Betriebsvermögen mit hoher Wahrscheinlichkeit – wenn auch nicht stets – einen deutlich unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert. 

Darüber hinaus bewirkt die durch den Steuerbilanzwertansatz erzielte Begünstigungswirkung keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steuerentlastung, sondern tritt völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den Steuerbilanzwertansatz ist die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen hat. Die vielfältigen Möglichkeiten, über die Bilanzpolitik Einfluss auf den erbschaftsteuerlichen Wertansatz zu nehmen, eröffnen sich den Inhabern von Betriebsvermögen in stark differierendem Ausmaß. Die Regelung kommt den Erwerbern von Betriebsvermögen folglich in ganz unterschiedlichem Umfang zugute. 

Zudem fehlt es der Regelung mit Blick auf die vom Gesetzgeber genannten Lenkungsziele an einer ausreichend zielgerichteten Ausgestaltung. Mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte wollte der Gesetzgeber insbesondere mittelständische Personenunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten. Tendenziell wird aber gerade der Übergang des Betriebsvermögens von solchen Unternehmen gefördert, die der Entlastung am wenigsten bedürfen. Denn begünstigt wird besonders der Erwerb ertragstarker Unternehmen, bei denen Entnahmen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld am ehesten möglich sein dürften. Das Fehlen eines Nachversteuerungsvorbehalts führt zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betriebsvermögens in den Genuss der Steuerbegünstigung kommen, die eine Fortführung des Unternehmens nicht beabsichtigen. 

2. Auch beim Grundvermögen genügt die erbschaftsteuerliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage schon auf der Bewertungsebene nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes und führt deshalb zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. 

a) Bei bebauten Grundstücken wird durch das gesetzlich angeordnete (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) vereinfachte Ertragswertverfahren mit einem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt. Mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien eine Bewertung mit durchschnittlich ca. 50 % des Kaufpreises – also des gemeinen Werts – erreichen und durch diese niedrige Erbschaftsbesteuerung Investitionsanreize für Grundvermögen schaffen sowie die Bau- und Wohnungswirtschaft positiv beeinflussen. Dieser gesetzgeberische Versuch einer steuerlichen Lenkung auf der Bewertungsebene steht aber in unauflösbarem Widerspruch zu den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Bewertungsmethode führt im rechnerischen Durchschnitt nicht nur zu Grundbesitzwerten, die etwa 50 % des gemeinen Werts erreichen, so dass eine Annäherung an den gemeinen Wert nicht erfolgt. Vielmehr differieren die Einzelergebnisse auch in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 % und über 100 % des gemeinen Werts. Es ist offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden im Verhältnis zum gemeinen Wert führen muss und der Bewertung daher Zufälliges und Willkürliches anhaftet.

Keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung bedarf deshalb die Frage, ob der Gesetzgeber das auf der Bewertungsebene verfolgte Ziel, den Erwerb bebauter Grundstücke nur auf der Basis hälftiger Verkehrswerte mit Erbschaftsteuer zu belasten, verfassungsrechtlich zulässig auf der zweiten Ebene der Bemessungsgrundlagen-ermittlung – etwa im Wege einer eindeutigen Verschonungs-bestimmung, nach der bebaute Grundstücke nur mit 50 % ihres gemeinen Werts zum Ansatz kommen – hätte erreichen können. Mit den Belangen der Bau- und insbesondere Wohnungswirtschaft hat der Gesetzgeber gewichtige Gemeinwohlgründe angeführt, die grundsätzlich geeignet erscheinen, Verschonungsnormen zu rechtfertigen, die den Erwerb von Grundvermögen aufgrund Erbschaft oder Schenkung steuerlich begünstigen. Die Frage, in welchem Umfang eine auf sie gestützte Entlastung verfassungsrechtlich zulässig wäre, kann aber hier offen bleiben. 

b) Die in § 148 BewG – seiner bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung – geregelte Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken ist ebenfalls mit dem Erfordernis einer Bewertung, die die Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet, nicht vereinbar. Der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks wird schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu entrichtenden jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt werden. Das führt dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen wird. Zu dieser Erkenntnis ist auch der Gesetzgeber gelangt. Denn im Entwurf für das Jahressteuergesetz 2007 wird ausgeführt, die jetzige Regelung führe insbesondere bei kurzen Restlaufzeiten zu nicht vertretbaren Bewertungsergebnissen. 

c) Schließlich entspricht auch die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG) der Anforderung, die Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht abzubilden, jedenfalls inzwischen nicht mehr. Grund hierfür ist die gesetzlich angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 01.01.1996. Die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt führt dazu, dass die vergangenheitsbezogenen Werte sowohl die Wertverhältnisse innerhalb der Gruppe der unbebauten Grundstücke nicht mehr in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden als auch nicht mehr den Gegenwartswerten anderer Vermögensgegenstände entsprechen. Damit führt die Wertbemessung nach dem bis zum 31.12.2006 geltenden Recht zu verfassungswidrigen Besteuerungsergebnissen. 

3. Auch die Erbschaftsbesteuerung der Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist in nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbarer Weise ausgestaltet. Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führt der vom Gesetzgeber angeordnete Steuerbilanzwertansatz zu Steuerwerten, die im Regelfall deutlich hinter der Teilbewertung zurückbleiben. Zwar sind nach den gesetzlichen Vorgaben – anders als beim Betriebsvermögen – die Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen. Gleichwohl werden durch den vom Gesetzgeber angeordneten Steuerbilanzwertansatz auch für die zu schätzenden Anteile an Kapitalgesellschaften Steuerwerte erzielt, die im Durchschnitt deutlich unter dem gemeinen Wert liegen. Darüber hinaus wirkt sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte – wiederum parallel zum Betriebsvermögen – für die Anteile an Kapitalgesellschaften in ganz unterschiedlicher Weise aus. Die Gesellschaften sind in höchst unterschiedlichem Maße in der Lage, von den Bilanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Das bewirkt zwingend eine große Streubreite der Steuerwerte im Verhältnis zu den Verkehrswerten. Darüber hinaus führt die für die zu schätzenden Anteile an Kapitalgesellschaften angeordnete Übernahme der Steuerbilanzwerte auch zu einer großen Kluft gegenüber den übrigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich höheren Werten führt. 

4. Schließlich verstößt auch die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen gegen die aus dem Gleichheitssatz folgenden Anforderungen und führt deshalb zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als Bewertungsziel vorgegeben. Damit wird bereits strukturell eine Erfassung der im Vermögenszuwachs liegenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt, die sich aufgrund der der Erbschaftsteuer zugrunde liegenden gesetzgeberischen Konzeption gerade nach dem bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, nicht aber allein nach dem vermittels der Vermögenssubstanz erzielbaren Ertrag bemisst. Die Bewertung von Wohnteil und Betriebswohnungen orientiert sich am gemeinen Wert als Wertkategorie. Insoweit gilt das zum Grundvermögen Gesagte entsprechend. Die dort festgestellten verfassungsrechtlichen Mängel führen auch hier schon auf der Bewertungsebene zu Verstößen gegen den Gleichheitssatz. 

III. Trotz Unvereinbarkeitserklärung mit dem Gleichheitssatz ist es im vorliegenden Fall geboten, ausnahmsweise die weitere Anwendung des geltenden Erbschaftsteuerrechts bis zur gesetzlichen Neuregelung zuzulassen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31.12.2008 zu treffen. Dabei ist er verfassungsrechtlich gehalten, sich auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel zu orientieren. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe in einem zweiten Schritt der Bemessungsgrundlagenermittlung mittels Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände zu begünstigen. Die Begünstigungswirkungen müssen ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Schließlich kann der Gesetzgeber auch mittels Differenzierungen beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen.

 

 

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 FAMILIENRECHT

 

Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhalts -anspruch (22.01.07) 

BGH - Pressemitteilung vom 18.01.07 - Familienrecht 

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit einem weiteren Teilaspekt der Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsanspruch von Kindern nach § 1612 b BGB zu befassen. 

Demnach ist die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB nach seinem Wortlaut nur auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder anwendbar. Die Vorschrift ist auf den Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder auch nicht entsprechend anwendbar. Für deren Unterhalt haften beide Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit. 

Sachverhalt: 

Der 1985 geborene Kläger ist Schüler, erzielt keine eigenen Einkünfte und lebt noch im Haushalt seiner Mutter. Der Beklagte, sein Vater, lebt von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Er erzielt unterhaltsrelevante monatliche Einkünfte in Höhe von 1.487 €; die Mutter des Klägers solche in Höhe von 1.178 €. Der Beklagte hat einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen ihn in Höhe von 350 € monatlich, abzüglich des hälftigen Kindergeldes von 77 €, anerkannt und zahlt diesen Betrag regelmäßig an den Kläger. Mit der Klage begehrt sein Sohn weiteren Unterhalt in Höhe des abgesetzten halben Kindergeldes. Amtsgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die – vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision des Klägers.  

Nach neuerer Rechtsprechung des Senats ist das Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch der Kinder anzurechnen, und zwar bei minderjährigen Kindern jeweils hälftig auf den Bar- und den Betreuungsunterhalt, bei volljährigen Kindern in voller Höhe auf den allein verbleibenden Barunterhalt (BGHZ 164, 375). Nach § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt eine solche Anrechnung, soweit der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, wenigstens 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Insoweit ist das Kindergeld also zunächst zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes einzusetzen, bevor es für sonstige Zwecke, z.B. eine Entlastung der Eltern von ihrer Unterhaltspflicht, zur Verfügung steht.  

Streitig war, ob diese Vorschrift auch auf den Unterhaltsanspruch der sog. privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB = volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt eines Ehegatten leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden) anwendbar ist.

Entscheidung: 

Der Senat hat entschieden, dass die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB nach seinem Wortlaut nur auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder anwendbar ist. Denn er stellt für die Bemessung des Existenzminimums auf 135 % des Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung ab, die nur für minderjährige Kinder gilt. Die Vorschrift ist auf den Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder auch nicht entsprechend anwendbar. Für deren Unterhalt haften beide Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit. Deshalb kann das Existenzminimum nicht schon durch den Unterhaltsanspruch gegen einen Elternteil gesichert werden. Einer entsprechenden Anwendung steht auch entgegen, dass die Vorschrift des § 1612 b BGB nach der Rechtsprechung des Senats dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Normenklarheit ohnehin immer weniger gerecht geworden ist.  

Die Sicherung des Existenzminimums ist beim Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder schon jetzt dadurch möglich, dass der Unterhaltsbedarf nach der vierten Altersstufe der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle – ohne Bindung an die Regelbetrag-Verordnung – entsprechend erhöht wird. Denn die Düsseldorfer Tabelle in der gegenwärtigen Fassung sieht in den ersten Einkommensgruppen Unterhaltsbeträge vor, die noch unter dem Existenzminimum liegen. In der für den 1. Juli 2007 zu erwartenden Fassung werden die Gerichte diese Unterhaltsbeträge der vierten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle anzuheben und dem mit der anstehenden Unterhaltsrechtsreform vorgesehenen Mindestunterhalt minderjähriger Kinder (künftige erste Einkommensgruppen der ersten drei Altersstufen) anzupassen haben.  

Die Klage hatte gleichwohl keinen Erfolg, weil das Berufungsgericht dem Kläger aufgrund anderer Rechtsfehler einen Unterhalt zugesprochen hat, der – gemeinsam mit dem von der Mutter geschuldeten weiteren Barunterhalt – jedenfalls das Existenzminimum abdeckt.  

BGH - Urteil vom 17.01.07 (XII ZR 166/04)

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Reform des Unterhaltsrechts (22.01.07)
22.01.07 - Familienrecht

Neues zum Fortgang der Unterhaltsrechtsreform!

Bekanntlich hat das Bundeskabinett im April 2006 die Unterhaltsrechtsreform beschlossen. Am 01.04.2007 sollte das neue Recht eigentlich in Kraft treten, dies sah die ursprüngliche Planung vor. Dieser Termin kann nach Lage der Dinge jedoch nicht eingehalten werden.

Was ist seit dem Kabinettsbeschluss geschehen? Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme ein paar kleinere Änderungen angeregt, die die Bundesregierung teilweise aufgreifen wird, wie sich aus ihrer Gegenäußerung ergibt. Weitergehende Änderungen des Entwurfs regt die Bundesrechtsanwaltskammer an.

Am 29.06.2006 wurde der Entwurf an den Rechtsausschuss des Bundestags überwiesen, der am 16.10.2006 eine öffentliche Anhörung durchführte. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die einige der neun angehörten Sachverständigen geäußert haben, haben wohl einige Abgeordnete nachhaltig beeindruckt. Seitdem gibt es jedenfalls keine Fortschritte zu vermelden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Reformgesetz erst zum 01.07.2007 in Kraft treten wird. Sicher ist aber auch diese Information nicht

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Beiträge des Kindes zu einer privaten Krankenversicherung können seine Einkünfte und Bezüge mindern (25.08.06)
FG Niedersachsen - Pressemitteilung vom 15.08.06 - Familienrecht

Das Niedersächsische Finanzgericht hat jetzt eine Entscheidung seines 1. Senats veröffentlicht, in der es um die Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind ging, das sich in einer Berufsausbildung (Hochschulstudium) befand und nebenher einer Aushilfstätigkeit nachging (Az. 1 K 76/04). Die Familienkasse hatte die Zahlung von Kindergeld abgelehnt.
Zur Begründung hatte sie ausgeführt, die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes stünden  einer Zahlung des Kindergeldes entgegen. Der maßgebliche Grenzbetrag (§ 32 Abs. 4 EStG) sei überschritten.

Der 1. Senat des FG Niedersachsen hat der Klägerin demgegenüber das Kindergeld zugesprochen. Nach seiner Auffassung waren die Einkünfte des Kindes nicht nur um Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Renten- u. Pflegeversicherung), sondern auch um Zahlungen an die private Krankenversicherung zu kürzen. Damit lagen die Einkünfte und Bezüge des Kindes unter dem maßgebenden Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 EStG.

Zum Abzug von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung verweist das FG Niedersachsen auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach diese Beiträge dem Kind nicht zur Bestreitung seines Unterhalts zur Verfügung stünden und deshalb nicht in die Bemessungsgröße für den Einkommensgrenzbetrag einbezogen werden dürften (BVerfG, Urt. v. 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Entsprechendes müsse auch für die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung gelten, wenn diese - wie im Streitfall - einen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Versicherungsschutz gewähre. Die Vorsorge für den Krankheitsfall führe zu Aufwendungen des Betroffenen, die seine Leistungsfähigkeit minderten. Sie seien deshalb unvermeidbar und nicht disponibel (so auch bereits der 2. Senat des FG Niedersachsen im Urt. v. 9.11.2005 - 2 K 477/04, EFG 2006, 273 - Az. des BFH III R 72/05 - und der BFH in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG v. 14.2.2005 - X R 20/04, BStBl II 2006, 312).

Der 1. Senat des FG Niedersachsen ist außerdem der Ansicht, dass bei einer geringfügigen Überschreitung der Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG das Kindergeld nicht vollständig versagt werden dürfe. Diese - im Fachschrifttum mit dem Begriff "Fallbeilwirkung" titulierte - Rechtsfolge sei verfassungswidrig; die Regelung sei deshalb verfassungskonform durch eine Übergangsregelung zu ergänzen, die eine gleitende Minderung des Kindergeldes bewirke. 

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

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